Weiterführende Gedanken zum Teilrahmenplan Evangelische Religion
Stand 4.10.2007
Vorbemerkungen: Religiöse Grundbildung
Religionsunterricht in der Schule
Der Religionsunterricht in der Grundschule fördert die religiöse Grundbildung und trägt darüber hinaus zur ganzheitlichen Bildung der Persönlichkeit des Kindes bei. Er unterstützt und stärkt es auch in seiner gesellschaftlichen und kulturellen Orientierung. Seine Merkmale sind Toleranz und dialogische Offenheit. Er beruht auf einem Welt- und Menschenbild, das die Würde und Verantwortung des Menschen in der Schöpfung Gottes beschreibt. Stärkung der Ich-Identität, Vermittlung von Wertvorstellungen und Sinnangeboten sind seine Ziele.
Mit diesen Zielsetzungen nimmt das Fach Religion dem grundlegenden Anspruch des Kindes auf religiöse Bildung ernst und wirkt auf das Leben des Kindes, seinen Schulalltag und die Schulkultur im Ganzen positiv ein, in die es sowohl kreative als auch kritische Impulse einbringt. Das Identitätsprofil einer Schule ist ohne diese Elemente nicht vollständig.
Gesellschaftlicher Kontext
Kinder wachsen nicht religionslos oder als kleine Atheisten heran. Auch die Welt der Vorschulkinder und Schulanfänger ist bereits geprägt von einer Vielzahl von religiösen Phänomenen, die in Erfahrungshorizonte eingebettet und gedeutet werden müssen. Wichtig sind schon im Kleinkindalter und erst recht in der folgenden Schulzeit Fragen und Lösungsmodelle, die das suchende Ich betreffen und helfen, den eigenen Platz in der umgebenden Welt zu beschreiben und die zugleich weit darüber hinausreichende letztgültige Deutungen anstreben.
Jedes Kind möchte sich verlässlich orientieren. Das Wissen und die Fähigkeiten, die ihm helfen, sich zurecht zu finden, werden in einer von christlicher Tradition durchwirkten Umwelt auf ganz unterschiedliche Weise gewonnen. Gelernt wird an Vorbildern, an positiven wie negativen Leitbildern, oft an Unterhaltungsmedien und Konsumangeboten, aber auch an guten Beispielen gelebten Glaubens und an für Kinder sichtbaren, mit Ernst gestalteten Engagements.
Die Einflüsse traditioneller Kirchlichkeit nehmen ab. Manche Kinder sind religiös kaum sozialisiert. Zufallsbegegnungen bestimmen ihr Bild vom Christentum. Viele Eltern möchten auf strenge konfessionelle Abgrenzungen verzichten und äußern den Wunsch nach konfessionsübergreifender Christlichkeit.
Religionslehrerinnen und -lehrer greifen Ansätze zum ökumenischen Dialog auf. Wechselseitiges Verständnis und gegenseitige Akzeptanz sind die Leitmotive.
In einer derart religiös gefärbten, aber nicht kirchlich geprägten Lebenswelt bildet auch der Schulalltag keine Ausnahme. Es herrscht ein Schulklima vor, das nur teilweise kirchlich-konfessionelle Muster oder Fragmente aufweist. Geburtstage und Schulfeste, Bilder und jahreszeitliche Dekorationen weisen auf religiöse Ursprünge hin. Das Kind lernt einen Religionsunterricht kennen, der diese Spuren aufgreift und einordnet. Den dabei auftauchenden existentiellen Fragen stellt der Religionsunterricht solche Erzählungen und Handlungsvorschläge gegenüber, die als Angebote aufgenommen werden können. Im Gespräch darüber wird erste Orientierung vermittelt.
Grundlagen im Menschenbild
Dieser Orientierungsprozess wird ermöglicht durch anthropologische Dispositionen:
Erstens hat das Kind das Bedürfnis, sich selbst zu entdecken und als Person wahrzunehmen. Es möchte wissen: Wer bin ich für mich selbst? Worin liegt mein Eigenwert? Wer bin ich im Kreis der anderen?
Zweitens ist das Kind konstruktiv bereit zur Begegnung mit den unbekannten Aspekten der Welt, in der es zu Hause sein will. Es zeigt Neugier für Überraschendes und Erschreckendes, für Glück und Erfüllung. Fundamentale erste Erfahrungen von Liebe gehören dazu wie auch die Auseinandersetzung mit dem Leid.
Drittens entspricht dieser doppelten Entdeckungsfreude das Interesse des Kindes an großen und letzten Fragen. Woher kommt Leben? Wohin führt der Lebensweg? Dies sind keineswegs nur Probleme erwachsener Philosophen. Kinder stellen sie durchaus originell und herausfordernd konkret.
Mit ihrer Fragebereitschaft erkunden und konstruieren Kinder ihre eigene Welt und deuten sie in Bildern und Entwürfen, die sie immer wieder an dieser ihrer Lebenswirklichkeit messen.
Theologisch-pädagogische Grundlagen
Die ganz eigenständigen Entwürfe kindlicher Welt werden religiös bedeutsam, wenn nach dem Ursprung des Lebens, dem Schöpfer der Welt und der tragenden Kraft im eigenen Dasein gefragt und ausdrücklich von Gott gesprochen wird.
Religiöses Bildungsgeschehen lässt sich als Spurensuche, Symbolerschließung und Traditionsgewinn darstellen.
Die Spurensuche richtet sich auf Elemente religiösen Lebens im Alltag, die zur Deutung einladen und eingefügt werden in wiederkehrende und vertraut werdende Grundmuster.
Die Symbolerschließung erweitert und präzisiert die Spurensuche. Symbole sind Ausdrucksformen des Unbedingten. Die Begegnung mit ihnen ist erste Berührung mit dem Absoluten. Werden sie im praktischen Umgang erprobt, so entfalten sie ihren Sinn und laden zum Mitvollzug ein. Definiert oder erklärt werden sie erst in späteren Reflexionsstufen.
Traditionsgewinn erfahren Grundschulkinder vor allem als erzählend angeeignete Geschichte. Die biblisch- christliche Glaubenstradition illustriert die verschiedensten Aspekte der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Geschichten, Bilder und andere Medien laden zum Miterleben ein. Schlimme Daseinserfahrungen werden dabei im Kontrast heilender Botschaften reflektiert und bearbeitet. Das Angebot von Gottes Zuwendung in Rechtfertigung und freundlich-liebender Vergebung kann so im identifizierenden Nachvollzug angeeignet werden. Für alle, die das Fach Religion unterrichten, folgt daraus die Verpflichtung zu persönlichem authentischem Auftreten.
Zugangswege
Anliegen des Religionsunterrichts ist es, Menschenbild und Gottesbezug gleichermaßen ernst zu nehmen. Deshalb beobachten Religionslehrerinnen und -lehrer besonders, wie Kinder ihre Weltwahrnehmung konstruieren und immer wieder revidieren. Das Gespräch darüber ist unverzichtbar. Es greift Ansätze zu einer „Kindertheologie“ auf.
Der Religionsunterricht stellt dem entsprechend Systeme bereits erprobter Weltdeutungen und -konstruktionen vor und lädt die Kinder zur Auseinandersetzung mit Konfessionen, mit christlicher und nichtchristlicher Religion, mit Kultur und Gesellschaft ein.
Religiöse Erziehung und Bildung, insbesondere der konfessionell verantwortete und professionell gestaltete Religionsunterricht, greift in die Lebenswirklichkeit des Kindes auf verschiedenen Wegen ein.
Zunächst ist Religion wahrnehmbar als Baustein einer religiösen Subkultur, die mit Festen und Gottesdiensten, Kirchenräumen und Gedenkstätten im Alltag vorfindbar ist, ganzheitlich wirksam aber in breiter und atmosphärisch offener Weise.
Der Religionsunterricht hilft, die zufälligen Spuren einzuordnen und auf ihre lebensfördernde Wirkung hin zu befragen.
Der Religionsunterricht zeigt den Kindern authentisch, wie die Bibel und wichtige Urkunden des Christentums die Menschen einladen zu eigenständig gelebtem und bezeugtem Glauben. Dazu helfen neben methodischer Arbeit an Texten auch ganzheitliche Gestaltungsformen.
Mit Stilleübungen, Meditation und Tanz, Umweltaktionen, Hilfsprojekten und Kontaktstunden kann fachübergeifend und fächerverbindend gelernt werden. Dann gelingt es, den zunächst durch Schulorganisation und Stundenpläne eingegrenzten Religionsunterricht auf das ganze Schulleben hin zu öffnen. Auch der kirchlich geprägte Horizont des Glaubenslebens kommt in den Blick.
Dieser Horizont kann für Grundschulkinder überaus komplex und schwer durchschaubar sein. Sie erleben Angehörige der großen Weltreligionen, freikirchlicher und neureligiöser Denominationen und konkurrierender Weltanschauungsgruppen. Der multireligiösen entspricht eine multikulturelle Zusammensetzung, die auch in Grundschulklassen schon auffällt und nicht nur nach toleranter Aufmerksamkeit, sondern auch nach Angeboten zur eigenen Standortbestimmung verlangt.
Die hier beschriebenen unterschiedlichen Zugangswege zur religiösen Weltdeutung sind im Religionsunterricht miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig.
Weiterführende Gedanken zum Teilrahmenplan Evangelische Religion
Zum Teilrahmenplan Evangelische Religion Rheinland-Pfalz, eine Lesehilfe